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Klaus Eberhard: Im Sommer 1990 besuche ich zum ersten Mal Leipzig und sehe im Neustädter Markt das schöne Eckhaus Hedwigstraße 3, ein typisches Gründerzeithaus, erbaut 1886. Im Erdgeschoß sind zwei Läden, darüber 20 Wohnungen, von denen nur noch sechs rechtmäßig bewohnt sind, hinzu kommen einige "Schwarzbewohner". Die meisten Wohnungen, besonders in den oberen Stockwerken sind " verworfen ". Diesen Ausdruck für baurechtlich gesperrte Wohnungen höre ich zum ersten Mal, in seiner Bildlichkeit leuchtete er mir jedoch sofort ein.
Äußerlich sieht das Haus Grau in Grau aus, wie auch die umliegenden anderen ist es arg heruntergekommen. Die noch weitgehend erhaltenen zahlreichen Stuckelemente - über fünfzig verschiedene Formen finden sich an der Fassade - und der architektonisch imposante Baukörper als solcher verleihen dem Gebäude einen morbiden Charme, der mich fasziniert. Neben der rationalen wirtschaftlichen Überlegung spielt beim Kauf auch gefühlsmäßig der Wunsch mit, diesem lieblos heruntergekommenen Haus wieder seine ursprüngliche Schönheit zurückzugeben - ein Beweggrund, den ich auch von anderen Bauherren gelegentlich höre. Der Kauf des Hauses ist problemlos. Es gehört einem älteren Ehepaar in der Nähe von München ( der Vater hatte es in den 30er Jahren als Rentehaus erworben ). Die Verkäufer sind noch im Grundbuch eingetragen. Das Haus wurde noch bis vor zwei Jahren von der privaten Hausverwaltung Unger verwaltet, danach von der GWL (Gebäudewirtschaft Leipzig). Gelegentlich haben die Eigentümer Kosten für die Instandhaltung bezahlt; die Höhe der Hypothekenschulden blieb dadurch stets niedriger als der Einheitswert. Dies war wichtig, da im anderen Falle das Haus wegen überhöhter Schulden enteignet worden wäre. Die Mieteinnahmen wurden natürlich nicht in den Westen überwiesen, sondern - dies war eine der legalen Möglichkeiten - zur Pflege des elterlichen Grabes in Leipzig verwendet, wofür sie gerade ausreichten. Im September 1990 schließen wir in München den Kaufvertrag ab. Der Leipziger Makler reist mit seiner Frau im Trabi zum Kaufvertrag nach München und erhält die vereinbarte, verhältnismäßig hohe Provision von 5 Prozent vom Kaufpreis, wie es in den ersten Jahren nach der Wende üblich war. Seine Geschäfte gehen gut. Bei meinem nächsten Besuch bei ihm einige Monate später deutet er mit Stolz auf seinen neuen Mercedes 500 vor dem Büro. Ich stelle den Antrag auf Baugenehmigung für den Umbau in das "GALERERIE HOTEL LEIPZIGER HOF" und bemühe mich gleichzeitig über einen Investitionsvorangbescheid um den Kauf des angrenzenden Gebäudes Hedwigstraße 1. Von nun an verbringe ich den Großteil meiner Zeit in Leipzig im Neuen Rathaus. Ich genieße es, "Paternoster" zu fahren, ansonsten irre ich häufig umher bei der Suche nach Ämtern. Es gibt Ende 1990 kaum Hinweisschilder im Neuen Rathaus, zudem sind die Türen meist nicht beschildert: man muß sich " durchfragen ". Wohltuend über Allem liegt aber die Gewißheit, dass alle Ämter, die man für eine Baugenehmigung braucht - bis auf den Denkmalschutz - , irgendwo hier im Gebäude sind. Bei einem meiner Irrgänge - entnervt und hilflos auf der Suche nach dem Bauordnungsamt, das nicht mehr dort ist, wo es noch vor wenigen Tagen war - klopfte ich schließlich an eine beliebige Türe, auch diese ohne Namensschild, höre ein freundliches " Herein ", und treffe auf Ludwig Schön, den Amtsleiter des Hochbauamts ( was ich natürlich nicht weiß ). Herr Schön führt mich persönlich zum Amt meiner Wünsche. Wir kommen ins Gespräch über die Musik in Leipzig und tauschen unsere Meinungen über die letzten Konzerte des Gewandhausorchesters und des Radio-Symphonieorchesters aus. Ich glaube, es waren solche zufälligen, unspektakulären Begegnungen, die mir am Anfang Leipzig näher gebracht und mir liebenswert gemacht haben. Auch heute noch diskutieren Ludwig Schön und ich gerne über musikalischen Ereignisse in dieser Stadt, und meist ist er - wie schon bei unserem ersten Gespräch - der Meinung, die Radio-Symphoniker spielten ein wenig exakter und präziser als die Gewandhausmusiker. Die Jahre 1990 und 1991 sind in meiner Erinnerung besonders durch eine wohltuende, unkonventionelle Hilfsbereitschaft und das "Etwas bewegen Wollen" der Leipziger geprägt, überall in der Stadt und auch auf den Ämtern.
Ein Beispiel: Für eine zügige Durchführung des Umbaus - neue Hotels werden dringend und schnellstens benötigt - brauchen wir die alten Eingabepläne von 1886. Herr Bach vom Bauordnungsamt macht sich sofort auf die Suche und findet sie schließlich. Nachts um 22 Uhr ruf er mich in München an. Mit dem einzigen Faxgerät im Neuen Rathaus schickte er dann mitten in der Nacht Kopien der Pläne, vorher war er nicht " durchgekommen ". Die "Auslandsvorwahl" 0037 war damals tagsüber hoffnungslos überlastet. Ich selber hatte übrigens mein Faxgerät beim Verschicken auf 3.17 h eingestellt, gerade Zeiten wie 2.00 h oder 3.00 waren vielfach eingestellt. Wie bei jedem Baugesuch - im Westen wie im Osten - gibt es jedoch auch Ärger. So macht das Bauordnungsamt zunächst zur Auflage, das schöne alte Treppenhauses aus Holz abzureißen und fordert den Einbau von Betontreppen für den Hotelbetrieb. Mit Hilfe des Amtes für Denkmalpflege der Stadt und durch den persönlichen Einsatz von Denkmalpfleger Jens Müller wird schließlich eine Lösung gefunden. Bauordnungsamtsleiter Schirmer spricht ein Machtwort: Das Treppenhaus bleibt (und wird bis heute in seiner Schönheit von den Gästen bewundert). Nach dem Kauf des Hauses versuche ich, mit den Mietern Kontakt aufzunehmen. Die GWL (heute LWB ) übergibt mir nach vielen vergeblichen Bemühungen schließlich eine Liste der rechtmäßig im Hause wohnenden Mieter nebst Mietverträgen. Einige wohnen schon seit vielen Jahren im Hause, und kennen sich natürlich untereinander. Aber es gibt auch unbekannte Bewohner: die Eingangstüre ist nicht absperrbar, und so zieht das Haus "Schwarzmieter" an. Diese wohnen auch in den verworfenen Wohnungen - wohl in Unkenntnis über die Baufälligkeit oder diese ignorierend. Mit einem Aushang im Treppenhaus bitte ich alle Bewohner, sich zu melden (auf Klopfen - die Klingel funktionierte ohnehin nicht - wurde meist nicht geöffnet). Niemandem geschehe etwas, versichere ich, aber der Ordnung halber müsse ich wissen, wer im Hause wohne. Soweit ich mich erinnere, haben sich damals alle gemeldet. Die meisten von ihnen sind Studenten, nette junge Leute. Wir einigen uns, dass sie bis zur Sanierung weiterhin kostenlos (einschließlich der Nebenkosten), wohnen bleiben dürfen. Ein junges Medizinerpäärchen lernt gerade fürs Staatsexamen; sie bleiben noch fast ein Jahr im Hause, machen ein glänzendes Examen, ich bemühe mich um eine Anstellung für beide in einem westdeutschen Krankenhaus, beide bekommen jedoch ein Angebot der Charité in Berlin und gehen dorthin. Die Besprechungen über die Baugenehmigung ziehen sich hin. Der Erwerb des Nachbargrundstücks wird für den Umbau in ein Hotel bald zwingend erforderlich, zum einen wegen der auszuweisenden Stellplätze, zum anderen wegen zusätzlicher Fluchtwege bei Brandgefahr. Ende 1991 beginnen endlich die Bauarbeiten. Die Gewerke werden einzeln vergeben. Die Firmengeschichte einiger damals von uns beauftragter Handwerker ist für sich selbst ein Stück Zeitgeschichte; häufig führt der Weg von einem glänzend geglückten Start mit viel anfänglicher Euphorie in den folgenden Jahren bei nachlassender Bautätigkeit in den Konkurs. Wie man sich denken kann, gibt es während der Umbauzeit immer wieder Überraschungen. Eine der angenehmen ist der Fund eines Ölbildes im Dachgeschoß. Auf massivem Holz gemalt, ca. 1 x 1 m groß und millimeterdick mit einer Schmutzschicht bedeckt, legen die Bauarbeiter es nichtsahnend auf einen Durchbruch und stehen darauf, zum Glück auf der Rückseite. Auch nach sorgfältiger Reinigung ist keine Spur des Autors zu finden, keine Signatur, keinerlei Beschriftung auf der Rückseite des Bildes. Kurios erscheint uns der Fund eines Bildes ausgerechnet in diesem Gebäude, das schon bald eine Kunstsammlung von über 200 Arbeiten aus und über Leipzig und eine eigene Kunstgalerie beherbergen wird. Wir nehmen es als gutes Omen. Von wem aber ist das Bild? Keiner der befragten Leipziger Kunsthistoriker oder Künstler, denen ich das Bild zeige, kann den Autor nennen. Wir setzen einen Preis von 1.000 DM für denjenigen aus, der als erster den Autor benennt. Die Leipziger Volkszeitung zeigt das Bild und berichtet unter der Überschrift "Meisterleistung eines Unbekannten oder Beutekunst aus Rußland, endlich hat auch Leipzig sein großes Kunsträtsel". Ein Leipziger Bildhauer, Berndt Otto Steffen benennt schließlich Frank Schletter, einen ehemaligen Schüler der Hochschule für Grafik und Buchkunst als Autor. Schletter lebte in den achtziger Jahren für einige Monate in der Hedwigstraße und vergaß beim Auszug, das Bild mitzunehmen; er signierte es nicht, da es noch nicht ganz fertig war. Heute hängt es in unserer Sammlung und sogar Wolf von Lojewski zeigte es in seinem Bericht über unser Haus und über unsere Sammlung im ZDF Heute Journal. Am 2. Dezember 1992 eröffnet das GALERIE HOTEL LEIPZIGER HOF mit zunächst 44 Zimmern, 1994 erfolgt die Erweiterung auf den heutigen Stand mit 69 Zimmern, 2 Juniorsuiten und 4 Apartments. Die Kunstgalerie weihen wir 1995 mit einer Tübke Ausstellung ein, schließlich kommen 1996 im Innenhof der Tagungsbereich und der Biergarten hinzu. Mit Dankbarkeit und mit ein wenig Stolz können wir uns immer wieder über eine breite Anerkennung unseres Hauses und seiner Kunstsammlung in der Öffentlichkeit freuen - im Fernsehen (ARD, ZDF), im Rundfunk und in der gedruckten Presse ("..fast ein Museum als Hotel, nur komfortabler " schrieb Herbert Riehl-Heyse in der Süddeutschen Zeitung). Wir hoffen, auch in Zukunft mit Glück, mit Anstrengung und mit Ausdauer unser Konzept, ein Hotel zum lebendigen Kunsterlebnis zu machen, erfolgreich fortzusetzen - in wirtschaftlich schwieriger Zeit für Leipzig und seine Hotellerie. |
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Diesen Beitrag für das Buch "Leipzig.Den Wandel zeigen" schrieb der Eigentümer und Direktor des Galerie Hotels Leipziger Hof, Prof. Dr. Klaus Eberhard, auf Bitte von Niels Gormsen. |
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